Start BI Der Einkauf hinkt bei der Digitalisierung hinterher

Der Einkauf hinkt bei der Digitalisierung hinterher

Versorgungssicherheit und Risikomanagement liegen bei Einkäufern aktuell weit vorne, aber Künstliche Intelligenz und Robotic Process Automation sind kaum gefragt. Das zeigt eine Studie vom Bundesverband Materialwirtschaft zusammen mit dem Procurement-Anbieter Onventis.

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Eigentlich nimmt der Einkauf in Unternehmen eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Folgen der Corona-Pandemie ein. Absatzeinbrüche erfordern neben Kostensenkungen auch Ideen für zukunftsfähige Geschäftsmodelle, Vertriebskanäle und Partner. Unterbrochene Lieferketten stellen Risikomanagement, Versorgungs- und Prozesssicherheit in den Mittelpunkt, offenbaren aber gleichzeitig den Aufholbedarf beim Einsatz neuer Technologien und Services.

Versorgungssicherheit, Risikomanagement und Lageroptimierung sind die häufigsten Maßnahmen deutscher Einkäufer im Management der Corona-Krise. Künstliche Intelligenz und Robotic Process Automation sind kaum gefragt. Das zeigt das Einkaufsbarometer Mittelstand, das Onventis in Zusammenarbeit mit der ESB Business School und dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. erstellt hat.

„Das Coronavirus sollte ein Momentum für die Digitalisierung schaffen und ein Weckruf für den Einkauf sein, den strukturellen Veränderungen und geschäftskritischen Auswirkungen mit Mut, technologischer Intelligenz und transformatorischem Führungsgeist zu begegnen“, fordert Prof. Dr. Kämpf von der ESB Business School, welche die Studie zusammen mit dem Bundesverband Materialwirtschaft und Onventis durchgeführt hat. „Gerade in der Pandemie sind digitale Systeme in Kombination mit dem Vorantreiben neuer Technologien wettbewerbsentscheidend“, erläutert Frank Schmidt, Geschäftsführer des Procurement-Plattformanbieters Onventis.

In der Studie Einkaufsbarometer Mittelstand 2020 hat die Onventis GmbH in Zusammenarbeit mit der ESB Business School und dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) den Status quo der Digitalisierung und den Einsatz neuer Technologien im Einkauf mittelständischer Unternehmen untersucht. Befragt wurden 285 Teilnehmer aus dem Einkauf – davon 56 Prozent Entscheidungsträger.

Bei der operativen Automatisierung gibt es kaum Verbesserung

Die Katalogquote bemisst den Anteil an Bestellpositionen mit Bezug zu existierenden Materialstämmen oder Katalogartikeln. Diese Kennzahl ermittelt den Automatisierungsgrad der operativen Beschaffungsprozesse einer Organisation. Sowohl bei Großunternehmen als auch bei kleinen und mittleren Betrieben beschaffen lediglich 40 bis 50 Prozent der Einkäufer mehr als die Hälfte der Bestellpositionen über Materialstämme oder Kataloge. Dementsprechend ist bei 50 bis 60 Prozent der Katalogbezug als nicht zufriedenstellend einzuordnen. Im Vergleich zur Studie 2019 zeigt sich eine abfallende Automatisierungsquote im operativen Bereich.

Sinkende Prozesskosten sind der größte Treiber des Umbaus

Einkaufsabteilungen sind angehalten, sich stets zu aktuellen Markttrends zu informieren und digitale Möglichkeiten zur Prozess- und Kostenoptimierung auszuschöpfen. Die digitale Ausrichtung des Einkaufs prägen in 2020 Themen von der Ausgabenanalyse über Maverick Buying bis zur Kostensenkung. Aktuell stellt die Prozesskostenoptimierung für rund 25 Prozent aller befragten Unternehmen den wichtigsten Treiber der Digitalisierung im Einkauf dar. Danach folgen Kostensenkung und Automatisierung. Während kleine und mittlere Unternehmen eher (20 Prozent) die Kostensenkung als Treiber sehen, werden größere Unternehmen tendenziell (16 Prozent) von der Automatisierung angetrieben.

Fehlanzeige bei intelligenten Software-Robotern

Wer sich als Unternehmen nicht weiterentwickelt und agil auf schwierige Situationen reagieren kann, verliert Wettbewerbsvorteile. Das zeigt sich in der Corona-Krise. Umso wichtiger wird es, gegenwärtige Procurement-Trends zu identifizieren, zu evaluieren und anschließend auch konsequent zu implementieren. Bei der Frage nach den Trendthemen setzt die Mehrheit der Befragten (etwa 30 Prozent) auf Nachhaltigkeit und Lieferantennetzwerke. Technologische Trends wie beispielsweise Robotic Process Automation, Künstliche Intelligenz oder Internet of Things fallen im Vergleich deutlich ab. Das verwundert, weil diese Lösungen in Unternehmen allgemein an Popularität gewinnen. Ihr Einsatz trägt zur gezielten Optimierung operativer Prozesse bei, was wiederum zu positiven Kosteneffekten führt.

Einkäufer missachten Data Science und Analytics

Obwohl Künstliche Intelligenz den Arbeitsalltag grundlegend erleichtern könnte, betrachten mittelständischen Einkaufsabteilungen diese Technologie als noch nicht einsatzfähig. Etwas mehr als die Hälfte aller Mittelständler und rund 40 Prozent der Großbetriebe geben an, dass ihre Organisation für Künstliche Intelligenz noch nicht bereit ist. Lediglich 2 bis 7 Prozent der befragten Unternehmen haben diese Technologie in die Unternehmensstrategie aufgenommen oder deren Einsatz organisatorisch abgebildet. In Einkaufsorganisationen besteht ergo noch große Unklarheit darüber, inwiefern Data Science und Analytics-Werkzeuge aktuell genutzt und skaliert werden können.

Digitale Beschaffung erhöht die Widerstandsfähigkeit

Die Ergebnisse des Einkaufsbarometers 2020 zeigen erneut, dass die Digitalisierung weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Gerade mittelständischen Einkaufsabteilungen setzen sich zu wenig mit zukunftsweisenden Trends wie etwa Künstlicher Intelligenz auseinander. Gunnar Schmidt, Bundesvorstand Mittelstand des BME e.V., bestärkt Unternehmen darin, sich künftig digital besser aufzustellen: ,,Der Einkauf sollte sich in Krisenzeiten nicht nur darauf fokussieren, akute Brände zu löschen, sondern gerade jetzt die Digitalisierung vorantreiben. Nur so kann die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig gestärkt werden.“ Jürgen Frisch