Angesichts der vielfältigen Ausgangssituationen ist es nicht immer leicht, bei der ERP-Auswahl den richtigen Weg zu finden. Einfluss auf die Wahl des Ansatzes haben u.a. folgende Punkte:
Mit der Komplexität (Größe des Unternehmens, Einsatzbereich im Unternehmen, Anzahl der Standorte und ERP-Arbeitsplätze) des ERP-Projektes steigt in der Regel sowohl die Investitionssumme, als auch das Risiko in der Durchführung der ERP-Auswahl. Je mehr Unternehmensbereiche und/oder Standorte mit der neuen Software arbeiten sollen, umso vielfältiger werden meist die Anforderungen an eine neuen ERP-Lösung. Daher ist eine stärkere Systematisierung der ERP-Auswahl zu empfehlen, je komplexer sich ein ERP-Projekt darstellt. Zentrale Bedeutung für die Abstimmung innerhalb des Unternehmens kommt in diesem Fall dem Lasten-/Pflichtenheft zu. Umgekehrt gilt, dass bei kleineren ERP-Projekten weniger formale Ansätze bei geringerem Aufwand in der Regel auch zum Ziel führen.
Sofern relevante Investitionsentscheidungen aus formalen Gründen (u.a. Verfahrensanweisungen) oder aufgrund problematischer Erfahrungen bei früheren Projekten erhöhte Anforderungen an die Risikoreduzierung stellen, ist ebenfalls ein systematischer Auswahlansatz zu empfehlen. Auch in diesem Fall ist das Lastenheft von zentraler Bedeutung; hier jedoch vor allem für die Abstimmung mit den ERP-Anbietern sowie zur verbindlichen Fixierung des Leistungsumfangs im ERP-Vertragswerk.
Da die meisten der ERP-Projekte abteilungs- und/oder standortübergreifend zum Einsatz kommen, bestehen in vielen Projekten sehr unterschiedliche, manchmal sogar konträre Vorstellungen von der geeigneten ERP-Lösung. Wenn sich hier die Fronten verhärten, bekommt die ERP-Investition zunehmend „politischen" Charakter. In derartigen Fällen empfiehlt sich eine klar definierte, nachvollziehbare Vorgehensweise bei der ERP-Auswahl, um eine (Kompromiss-)Entscheidung im Konsens zu erzielen.
Bei ERP-Projekten, die in (einzelne) Fachbereiche delegiert sind, lässt sich über eine stärkere Formalisierung des Projektablaufs die notwendige breitere Verankerung des Projektes im Unternehmen bewerkstelligen. Gleichzeitig lassen sich über entsprechende Meilensteine notwendige Entscheidungen der Management-Ebene einbinden, wobei diesem Ansatz jedoch entgegensteht, dass eine systematische Vorgehensweise ein Mindestmaß an Beteiligung aller betroffenen Unternehmensbereiche und damit auch entsprechende Personalkapazität erfordert. Bei ERP-Projekten mit niedriger Priorität bzw. fehlendem Management-Commitment ist eine systematische ERP-Auswahl oft nicht praktizierbar.
Wenn der ERP-Auswahl durch das Budget und/oder die IT-Strategie sehr enge Grenzen gesetzt sind, dann reduziert sich die Bedeutung der „Marktsondierung" und der „Ausschreibung" z.T. erheblich. In derartigen Fällen ist bestenfalls zu prüfen, ob die Dokumentation von Anforderungen im Sinne eines Lastenheftes im Hinblick auf die Vertragsgestaltung und -verhandlung sinnvoll ist.
Da ERP-Projekte bei Investitionszyklen von rund 10 Jahren nur in den seltensten Fällen zum Tagesgeschäft der Anwenderunternehmen gehören, fehlt es oft an konkreten Erfahrungen im Umgang mit der Materie. Dies gilt insbesondere, wenn erstmals eine umfassendere ERP-Lösung ausgewählt und eingeführt werden soll. Besteht hier Unsicherheit, ist zu einem systematischeren Auswahlansatz zu raten, der als stabilisierende Richtschnur durch das Projekt leitet. Dies gilt selbst für kleinere Projekte, wobei der Aufwand für die ERP-Auswahl durch eine angemessene Detaillierung begrenzt werden sollte.
Die Alternative hierzu ist, das Auswahlprojekt in die Hände einer spezialisierten Unternehmensberatung zu legen. Von dieser kann der Anwender eine intime Kenntnis des ERP-Marktes sowie eine effiziente und sichere Durchführung des Auswahlprojektes erwarten. An dieser Stelle ist zu empfehlen, sich die Beratungskompetenz durch aktuelle Referenzen belegen zu lassen. Auch lohnt sich ein Blick auf die „Ergebnisliste" der begleiteten Auswahlprojekte. Schließlich möchte man unter dem Deckmantel der Auswahlberatung nicht unbedingt mit einem Vertriebspartner des einen oder anderen ERP-Anbieters zusammenarbeiten.