Wer die Wahl hat, hat die Qual – eine treffende Umschreibung für die Situation, vor der mittelständische Handelsunternehmen stehen, wenn sie ein Warenwirtschaft Programm auswählen.
Trotz anhaltender Konsolidierungstendenzen auf dem Markt sind im deutschsprachigen Raum nach wie vor mehr als 100 eigenständige Warenwirtschaft Programme verfügbar, welche eine große Bandbreite von mittleren und großen Handelsunternehmen ansprechen und vielfach einen hohen funktionalen Reifegrad aufweisen. Ein Handelsunternehmen kommt bei der Suche nach einem Warenwirtschaft Programm somit nicht umhin, sich mit dem aktuellen Leistungsstand der am Markt verfügbaren WWS zu beschäftigen. Von besonderer Bedeutung sind dabei neben den üblichen strategischen Kriterien (z. B. Zukunftssicherheit des Anbieters und der Lösung) und den fachlich-funktionalen Anforderungen (z. B. Abdeckung der Prozess- und Branchenspezifika) vor allem die Themengebiete, die in den Warenwirtschaft Programm Einführungsprojekten erfahrungsgemäß immer wieder zu „Überraschungen“ und unvorhergesehenem Aufwand, bzw. unerwarteten Einschränkungen führen.
Angesichts zunehmend komplexer Unternehmensstrukturen in Form von Zusammenschlüssen, unternehmensübergreifenden Kooperationen, sowie der Zugehörigkeit zu Verbundgruppen, Einkaufsgemeinschaften etc. kommt der Ausgestaltbarkeit der Organisationsstrukturen im Warenwirtschaft Programm eine immer größere Bedeutung zu. Dieser Entwicklung folgend, bieten auch mittelständische WWS-Anbieter zunehmend flexiblere Möglichkeiten an, um mehrstufige bzw. komplexe Organisationsstrukturen im Warenwirtschaft Programm unterstützen zu können. Dennoch gibt es große Unterschiede in der Flexibilität und Mächtigkeit der Warenwirtschaftssysteme, so dass bei einer Warenwirtschaft Programm Auswahl hierauf ein besonderer Fokus zu legen ist, zumal sich die vom Hersteller vorgedachten Organisationsstrukturen projektindividuell kaum grundlegend verändern oder erweitern lassen.
Organisationsstrukturen durchziehen ein Warenwirtschaft Programm in (fast) allen funktionalen Bereichen und beeinflussen direkt oder indirekt alle zentralen warenwirtschaftlichen Prozesse. So hat die Mächtigkeit und Flexibilität der Organisationsstrukturen in einem Warenwirtschaft Programm wesentliche Auswirkungen auf systemweite Aspekte wie Rechte-/ Zugriffssteuerung, Stammdatenhaltung und ‑pflege sowie die Definition und Durchführung arbeitsteiliger Prozesse. Im Bereich der Stammdaten umfasst dies u. a. die Fragestellungen, auf welcher Ebene die unterschiedlichen Stammdatenarten im Warenwirtschaft Programm erfasst und verwaltet werden können, wer welche Stammdaten sehen und ändern darf, und wie redundant bzw. redundanzfrei Stammdaten gehalten werden können. Idealtypisch sollten Stammdaten möglichst zentral‑ und damit redundanzfrei - gehalten und ggf. auf untergeordneten Ebenen überschrieben, bzw. erweitert werden können.
Ein weiteres, eng mit den Organisationsstrukturen verbundenes Themengebiet im Kontext Warenwirtschaft Programm, sind firmenübergreifende Prozesse und die damit zusammenhängenden steuerlichen und umsatzsteuerlichen Anforderungen. Dies umfasst häufig die Notwendigkeit, mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen in einem Warenwirtschaft Programm abbilden zu können und diesbezüglich sowohl eine exakte Abgrenzung der Geschäftsvorfälle bezogen auf das jeweilige Unternehmen zu gewährleisten, als auch integrierte firmenübergreifende Geschäftsprozesse und ggf. eine konsolidierte Darstellung in Form von Konzernbilanzen zu ermöglichen. Bei den firmenübergreifenden Geschäftsprozessen ist zu berücksichtigen, dass es sich zwar um systeminterne jedoch unternehmensübergreifende Abläufe handelt. Solche Vorgänge sind im fiskalischen Sinne in Form von Verrechnungen zwischen den Unternehmen (sog. Intercompany-Verrechnung), im logistischen Sinne in Form zusätzlicher Lager und Empfangsstellen zu unterstützen. So wird bei einer effizienten Abbildung im Warenwirtschaft Programm beispielsweise bei einem Warenausgang des liefernden Unternehmens direkt ein zu erwartender Wareneingang beim empfangenden Unternehmen erzeugt. Bei der Beschaffung ist zwischen der Abwicklung über ein Zentrallager, einem Direktbezug beim Lieferanten in Form von Streckenlieferungen bis hin zur Abwicklung über einen Zentralregulierer zu differenzieren. Solche Unterscheidungen werden nicht selten in Abhängigkeit vom Artikel oder der Art des Geschäftsvorfalles getroffen. Kommen zusätzlich noch ausländische Betriebsstätten hinzu, so stellen auch Aspekte wie eine Zollabwicklung, die Erzeugung von Intrastat-Meldungen sowie Mehrwährungsfähigkeit nicht zu vernachlässigende Themen im Kontext Warenwirtschaft Programm dar.
Neben der Abbildung firmenübergreifender Prozesse spielt auch die Bereitstellung firmenübergreifender Stammdaten im Warenwirtschaft Programm eine immer größere Rolle. Ein typisches Szenario hierzu stellt ein firmenübergreifender Artikelstammpool dar, der firmenbezogen erweitert werden kann. Gerade in komplexeren Handelsstrukturen (z. B. der integrierten Abbildung von Verbundgruppen-Zentralen und ihren Mitgliedern in einem Gesamtsystem) gibt es auch bei den führenden WWS durchaus noch Herausforderungen, die in solchen Projekten zu meistern sind. Hierzu gehören das Konsolidieren „Lokaler Artikel“ der Mitglieder und die Frage, inwieweit zentrale Stammdatenänderungen in Konflikt mit lokalen Stammdatenänderungen stehen und daraus abgeleitet, wer bei welchen Artikelsichten bzw. einzelnen Artikelattributen führend Änderungen vornehmen darf.
Eine der größten Herausforderungen für das Warenwirtschaft Programm stellt dabei allerdings die komfortable und effiziente Pflege von einzelnen Attributen dar, welche sich auf einzelnen Ebenen der Organisationsstruktur unterscheiden können (z. B. regionale Artikelbezeichnungen oder regional abweichende logistische Einheiten oder Lieferanten). Hierfür werden üblicherweise verschiedene Sichten in dem Warenwirtschaft Programm gebildet, so dass beispielsweise eine einkaufsorientierte Sicht Mindestbestellwerte bei einem Lieferanten pro eigenständigem Unternehmen oder sogar auf Ebene einzelner Filialen beinhaltet, aber auch spezifische Einkaufspreise und Konditionen abdeckt. Aus fiskalischer Sicht werden in Abhängigkeit vom Artikel oder der Artikelhierarchie andere Konten angesprochen und aus logistischer Sicht sind aufgrund unterschiedlichster Restriktionen in den jeweiligen Lagerstandorten spezifische Dispositionsparameter (z. B. Mindestbestände) zu berücksichtigen. Schließlich werden eventuell unternehmensübergreifend einheitliche Verkaufslinien mit einheitlichen Preisen und einen übergreifendem Kundenstamm gebildet.
Darüber hinaus ist generell die Herausforderung eines effizienten Austauschs von Artikelstammdaten mit Lieferanten und Kunden gegeben. Zwar existieren grundlegende Standards für den Artikelstammdatenaustausch, jedoch sehen sich vor allem Handelsunternehmen mit einem breiten Sortiment oftmals mit einer Vielzahl unterschiedlicher „Branchenstandards“ (z. B. Tradeplace für Weiße Ware oder PhonoNet für Tonträger) konfrontiert.
Zudem ist in verschiedenen Handelsbranchen das Konstrukt der sogenannten Lieferanten- oder Herstellerkataloge unabdingbar. In diesen Katalogen kann eine Vielzahl an Artikeln (oftmals mehr als 500.000 Artikel) mit einem Artikelbasissatz vorgehalten werden, ohne dass ein kompletter Artikelstamm im Warenwirtschaft Programm angelegt werden muss. Erst durch den konkreten Zugriff auf einen dieser Artikel (z.B. in eine Kundenauftrag oder einer Lieferantenbestellung) werden diese Katalogartikel dann in den aktiven Artikelstamm übernommen, so dass sie in den operativen Prozessen verwendet werden können. Ein derartiger Katalogartikelstamm stellt eine elegante Möglichkeit dar, Informationen zu weiteren Artikeln im Warenwirtschaft Programm bereits vorzuhalten, ohne dabei die operativen Prozesse durch einen unnötig aufgeblähten Artikelstamm zu belasten.
Bereits diese wenigen Aspekte machen deutlich, dass der Vergleich und die Bewertung der Mächtigkeit und Eignung von alternativen WWS-Lösungen keine triviale Aufgabe für Handelsunternehmen ist. Aufgrund ungenügender Kenntnisse der vorhandenen Systeme und Anbieter sowie der Intransparenz des Marktes, wählen suchende Unternehmen allerdings häufig ein Warenwirtschaft Programm aus, welches die individuellen Anforderungen nicht optimal abdeckt. Die Folge sind vermeidbare Modifikationen, welche ein zentrales Argument für Standardsoftware außer Kraft setzen, nämlich die ständige kostengünstige Weiterentwicklung des Systems für alle Anwenderunternehmen. Zusätzlich müssen durch kundenspezifische Entwicklungen erhebliche Kosten bei künftigen Releasewechseln einkalkuliert werden.
Zur Vermeidung dieser Kosten sollte daher ein methodisch fundiertes Vorgehen verfolgt werden, welches systematisch alle Anforderungen an ein neues Warenwirtschaft Programm aufnimmt und die verschiedenen Systemalternativen dagegen bewertet. Unsere umfassenden Erfahrungen bestätigen, dass sich dadurch der Anpassungs- und Implementierungsaufwand sowie die monetären und zeitlichen Risiken enorm reduzieren lassen. Auftretende Probleme wirken sich oftmals erst bei der Einführung des WWS aus, während die Ursachen dafür (z. B. Unklarheiten bezüglich der Anforderungen bzw. der Leistungsfähigkeit des ausgewählten WWS) in der Regel bereits in der Phase der Warenwirtschaft Programm Auswahl liegen. Ziel muss es daher sein, die Anforderungen möglichst konkret zu fassen und die wesentlichen Restriktionen der künftigen WWS-Lösung bereits vor dem Vertragsabschluss zu identifizieren.
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