Der Begriff Enterprise Resource Planning (ERP) beschreibt die Aufgabe, unternehmensintern sowie -übergreifend den Einsatz der vorhandenen Ressourcen (u.a. Kapital, Personal, Betriebsmittel) effizient zu planen und zu steuern. Die für diese Aufgabe eingesetzten ERP-Systeme bilden das informationstechnische Rückgrat der Unternehmung, indem sie ergänzend zum Kernstück, der Produktionsplanung und -steuerung (PPS), sämtliche weiteren relevanten Bereiche des Unternehmens integrieren und die entsprechenden Geschäftsprozesse unterstützen.
Der Begriff der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) als Kernstück des ERP wurde bereits Anfang der 1980er-Jahre geprägt, um Material- und Zeitwirtschaft in der produzierenden Industrie unter einem übergreifenden Konzept zusammenzufassen. Erstmalig hatte Hackstein (1989) für den Begriff der Produktionsplanung und -steuerung in seinem gleichnamigen Buch eine breit akzeptierte Definition geliefert. Zielobjekt der PPS war danach die gesamte Produktion inklusive der indirekt beteiligten Bereiche wie etwa der Konstruktion. In der Folge wurde der PPS-Begriff ständig erweitert. Nach diesem erweiterten Verständnis wurde PPS so verstanden, dass sie die gesamte technische Auftragsabwicklung von der Angebotsbearbeitung bis hin zum Versand umfasste. Ihre Planungs- und Steuerungsaufgaben berührten dabei die Bereiche des Vertriebs, der Konstruktion, des Einkaufs, der Fertigung und Montage, sowie des Versands. Im Rahmen des fließenden Übergangs zu ERP-Systemen wurden schließlich Querschnittsbereiche wie Controlling sowie Finanz- und Rechnungswesen hinzugefügt.
In diesem Sinne ist die Weiterentwicklung von PPS- zu ERP-Systemen, ebenso wie die Integration des SCM (Supply Chain Management), APS (Advanced Planning and Scheduling) und auch MES (Manufacturing Execution System) offensichtlich ein logischer Schritt auf dem Evolutionspfad von der Mengen- und Kapazitätsplanung in der Fertigung über die Einbeziehung der vor- und nachgelagerten Bereiche wie Beschaffung oder Vertrieb bis hin zur Darstellung und Unterstützung der kompletten Auftragsabwicklung entlang der gesamten Lieferkette. Im Zentrum steht aber nach wie vor die Beplanung der Ressourcen und Produktionsprozesse wie sie schon im ursprünglichen PPS-Begriff erfasst war. Dementsprechend behält das Kürzel PPS seine prägende Bedeutung für in produzierenden Unternehmen eingesetzte ERP-Systeme. Dieser Tatsache Rechnung tragend werden ERP-Systeme für produzierende Unternehmen auch als ERP/PPS-Systeme bezeichnet.
Die fortwährende Weiterentwicklung der PPS zielt darauf ab, bis dahin vernachlässigte Ursache-Wirkungszusammenhänge bei der Produktionsplanung und deren Umsetzung zu berücksichtigen. Aktuelle Innovationen bestehen einerseits in der Neuentwicklung von Strategien und Verfahren der PPS und andererseits in der Unterstützung der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten, sowie der Produktion im Netzwerk. Die PPS stellt dabei die maßgeblichen funktionalen Anforderungen an die betrieblichen Anwendungssysteme, insbesondere ERP-/PPS-Systeme. Aus diesem Grund wird nachfolgend auf Aufgaben und Strategien der PPS sowie ergänzende Aufgaben im Rahmen des ERP eingegangen, bevor die Funktionen und Systemlösungen beschrieben werden.
Für die Planung und Steuerung der Produktion gibt es PPS-Systeme, die insbesondere Funktionen der Material-, Zeit- und Kapazitätswirtschaft auf Basis von Stücklisten und Arbeitsplänen beinhalten (vgl. Herrmann u. Manitz 2015, S.131f). Für die Materialwirtschaft wurde in den 60er Jahren das Material Requirements Planning (MRP) entwickelt, bei dem die Sekundärbedarfe von Produkten per Stücklistenauflösung und die Nettobedarfe durch den Abgleich mit Lagerbeständen ermittelt werden. Mit der Weiterentwicklung zum Manufacturing Resource Planning (MRP II) können darüber hinaus zum Beispiel Fertigungsaufträge terminiert, wirtschaftliche Fertigungs- und Montagelose gebildet und Arbeitsgänge auf Kapazitäten eingeplant werden. Durch diese Funktionalitäten werden die Zeit- und die Kapazitätswirtschaft unterstützt.
Zu den PPS-Systemfunktionen sind weitere Funktionsbereiche, die sich zusätzlich mit sämtlichen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen, wie z.B. internem und externem Rechnungswesen und Personalwirtschaft, beschäftigen hinzugekommen. Informationssysteme, die durchgängig die Aufgaben der technischen und kaufmännischen Auftragsabwicklung unterstützen, werden als Enterprise Resource Planning (ERP-) Systeme bezeichnet. Sie ergänzen die klassischen PPS-Systeme und können auch als Weiterentwicklung angesehen werden. „Das ERP-System ist das Herzstück der betrieblichen Informationssysteme und bildet damit das Rückgrat eines jeden Unternehmens.“ (Schuh u. Stich 2013, S.277)
Im Umfeld der ERP-/PPS-Systeme existieren weitere betriebliche Anwendungssysteme, zu denen Schnittstellen bestehen. Entsprechend der Geschäftsprozesse in Fertigungsunternehmen werden Informationssysteme für das Engineering (Produktentwicklung) und die Logistik (Auftragsabwicklung) unterschieden.
Im Engineering werden die Produkte des Unternehmens mittels Computer Aided Design (CAD-) Systemen entwickelt. Als Ergebnis liegen Konstruktionszeichnungen und Stücklisten vor, die zumeist in einem Product Data Management oder Product Lifecycle Management (PDM‑/PLM-) System verwaltet werden. Die zeichnungsbezogenen Stücklisten eines Produkts werden zu einer Stücklistenstruktur verknüpft und in Verbindung mit den Zeichnungen nach Schlagworten, z.B. Produktbezeichnung, Sachmerkmalen, Baugruppen und Produktgruppen, abgelegt. Das Engineering, bzw. die Produktentwicklung liefert somit die Stammdaten für die Informationssysteme der Auftragsabwicklung.
Nach dem Anlegen, Ändern oder Freigeben eines Produkts zur Produktion werden die Stücklisten an das ERP‑/PPS-System übergeben. Das ERP-/PPS-System unterstützt durchgängig die Aufgaben der Auftragsabwicklung. Im Rahmen der Auftragsabwicklung werden Kundenaufträge verwaltet, Material disponiert sowie Produktionsprozesse geplant und gesteuert. Abschließend werden die Kunden- und Fertigungsaufträge kosten-, mengen- und terminbezogen abgerechnet.
Die ERP-/PPS-Systeme und weitere Systeme der Auftragsabwicklung können nach den Ebenen der Produktionsplanung und ‑steuerung unterschieden werden. ERP‑/PPS-Systeme werden für die Produktionsplanung und ‑steuerung eines oder mehrerer Standorte eingesetzt. Werden erweiterte Planungsfunktionalitäten für verteilte Standorte und Produktionsnetzwerke benötigt, kann ein Supply Chain Management (SCM-) System zum Einsatz kommen. SCM-Systeme unterstützen die Aufgaben der übergreifenden Netzwerkplanung auf einer groben Bedarfs-, Termin- und Kapazitätsebene. Sie liefern Planungsvorgaben für die untergeordneten Ebenen der PPS. Erweiterte Planungsfunktionalitäten in Bezug auf Sekundärbedarfe, Kapazitätsterminierung und Reihenfolgeplanung können zudem durch Advanced Planning and Scheduling (APS-) Systeme abgebildet werden. Hierdurch wird eine verbesserte Ressourcenplanung erzielt (vgl. Wiendahl u. Kluth 2017, S. 16-19).
Reichen die Möglichkeiten zur Feinplanung, Simulation, Optimierung und Überwachung der Produktion im ERP-/PPS-System nicht aus, kann zudem ein Manufacturing Execution System (MES) z.B. als Add-On Lösung verwendet werden. Das MES übernimmt grob terminierte Fertigungsaufträge aus dem ERP-/PPS-System, unterstützt die Feinplanung und ‑steuerung und meldet die Fertigstellung der Fertigungsaufträge anschließend zurück. Die Kommunikation zwischen MES bzw. ERP-/PPS-System und der Produktion wird durch Systeme der Maschinen- bzw. Betriebsdatenerfassung (MDE/BDE) unterstützt.
Die Ausführungen zeigen, dass die betrieblichen Anwendungssysteme zum einen Schnittstellen untereinander und zum anderen Überschnittsbereiche besitzen. ERP-/PPS-Systeme lassen sich damit nicht eindeutig von anderen betrieblichen Softwarelösungen abgrenzen. Einen möglichen Ansatz zur Definition von ERP-/PPS-Systemen liefert die nachfolgende Beschreibung von Funktionsmodulen und Funktionalitäten. Die Kenntnis über die Funktionalitäten von ERP-/PPS-Systemen ist für deren nutzenorientierten Einsatz in Fertigungsunternehmen von Bedeutung. Funktionalitäten werden aus diesem Grund für die Bewertung und Auswahl von Standard-ERP‑/PPS-Systemen herangezogen.
Die Funktionalitäten von ERP-/PPS-Systemen lassen sich aus den Anforderungen der Produktionsplanung und -steuerung, wie diese durch das Aachener PPS-Modell beschrieben werden, ableiten. Im Aachener PPS-Modell werden Kernaufgaben und Querschnittsaufgaben der PPS unterschieden, die durch Systemfunktionalitäten zu unterstützen sind. Des Weiteren ergeben sich Funktionsanforderungen aus der Erweiterung der PPS zum ERP, wie z.B. für die Bereiche Versand, Service und Montage.
(Quelle: Marktspiegel Business Software – ERP/PPS 2019/2020. Trovarit AG, Aachen)