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Industrie 4.0 ermöglicht adaptive Produktion

Forscher aus drei Aachener Fraunhofer-Instituten arbeiten an der vollständigen Vernetzung von Maschinen und Sensoren. Ihr gemeinsames Ziel ist es, alle erfassten Produktionsdaten mit intelligenten Algorithmen in Echtzeit auswerten und Prozesse flexibel anpassen zu können. So soll die komplett digitalisierte und vernetzte Produktionsumgebung möglich werden.

 

EINE INDIVIDUELLE Bearbeitung von Bauteilen oder eine Optimierung der Fertigung während des Produktionsprozesses lässt sich heute oftmals gar nicht oder nur sehr eingeschränkt realsieren. Genau das aber wollen Forschende aus drei Aachener Fraunhofer-Instituten ermöglichen. Zu dem Forschungsverbund gehören Experten vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT sowie vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME. Gemeinsam wollen sie eine komplett vernetzte Produktionsumgebung entwickeln, die sich für ganz unterschiedliche Branchen eignen soll – für die Biomedizin genauso wie den Maschinenbau.

Predictive Maintenance optimiert Maschinenwartung

„Mit unserem Ansatz bringen wir die Digitalisierung und Vernetzung in die reale Fertigungsumgebung“, erläutert Thomas Bergs (Foto rechts), Geschäftsführer des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT in Aachen das Vorhaben. Dazu würden die Anlagen mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, die permanent Messdaten aus den Maschinen an eine zentrale Datenbank senden. „Und zwar kabellos, über den kommenden Mobilfunkstandard 5G“ betont Bergs.

Die gesammelten Daten werden den Angaben zufolge in einer als „Virtual Fort Knox“ bezeichneten und speziell entwickelten Cloud gespeichert und dort mit eigens dafür konzipierten Algorithmen und Technologie-Apps verarbeitet und analysiert. So lassen sich laut den Forschern von Fraunhofer neue, überraschende Korrelationen erkennen. Das können beispielsweise Schwingungsmuster sein, die darauf hindeuten, dass das Werkzeug einer Fräsmaschine verschlissen ist. Werden die Informationen an die Maschinensteuerung zurückgespielt, schließt sich der Kreis: zum Beispiel mit einer Warnung, dass das Werkzeug ausgetauscht werden muss.

Pilotanwendungen demonstrieren das Potenzial

Um die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Digitalisierung und Vernetzung von Produktionseinrichtungen zu verdeutlichen, haben die Experten vom Fraunhofer-Institut sechs verschiedene Anlagen für Pilotanwendungen aufgebaut – darunter Prozessketten für die Fertigung von Turbinenschaufeln, zur Gewinnung von Medikamenten aus Pflanzen und für die Produktion von Batteriemodulen für Elektroautos.

Digitaler Zwilling speichert alle Produktions- und Sensordaten

Bei der Herstellung der Turbinenbauteile für Flugzeugantriebe kommt es beispielsweise besonders auf Präzision und Sicherheit an. Die Schaufeln werden heute vielfach mit Werkzeugmaschinen aus einem massiven Titanblock gefräst. Dabei können Schwingungen entstehen, die bei der Bearbeitung zu Ungenauigkeiten führen. In der Pilotanlage wurden deshalb Sensoren installiert, die Schwingungen von Hundertstel Millimetern und wenigen Millisekunden präzise aufnehmen.

Die enormen Datenmengen, die dabei entstehen, sollen künftig über das 5G-Netz in eine gesicherte Cloud einfließen, das bereits erwähnte „Virtual Fort Knox“. „Erst die drahtlose Datenübertragung mit 5G schafft die Voraussetzungen, Steuerbefehle in Echtzeit an die Maschine zu senden, und durch schnelle Anpassung der Maschine solche Schwingungen zu verhindern, noch bevor sie auftreten“, erklärt Bergs.

Eine Besonderheit des neuen Leistungszentrums sei, dass alle Produktions- und Sensordaten individuell für jedes Produkt gespeichert werden – in einem »Digitalen Zwilling«, der die vollständige Produktionshistorie enthält. Treten später Schäden auf, kann man im Prozess zurückblättern und den Daten entnehmen, wo der Fehler entstanden ist, um den Prozess zu optimieren.

Big-Data-Analysen verbessern die Wirkstoffproduktion

Ebenso wie bei der Fräsbearbeitung kommt auch bei der Gewinnung von Wirkstoffen aus Pflanzen der Datenanalyse und der Rückverfolgung der Produkthistorie eine besondere Bedeutung zu. Am Fraunhofer IME werden den Angaben zufolge Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen gesät, aufgezogen, dann biochemisch verändert, sodass sie Medikamente produzieren, und anschließend geerntet. Im letzten Schritt werden die Wirkstoffe extrahiert und isoliert.

Da verschiedene Pflanzen unterschiedlich wachsen und verschiedene Mengen an Wirkstoff liefern, ist es hier interessant, die Historie der Pflanzen nachzuvollziehen, um die Wachstumsbedingungen und die Wirkstoffproduktion genau analysieren zu können. „So können wir am Ende erkennen, unter welchen Bedingungen die Pflanzen besonders produktiv sind und damit den Prozess laufend anpassen“, berichtet Johannes Buyel vom Fraunhofer IME, und ergänzt: „Wir führen hier umfangreiche Big-Data-Analysen durch, um die richtigen Parameter zu finden und zu überwachen, die die Wirkstoffproduktion beeinflussen.“

Digitalisierungs-Technologien eignen sich für verschiedene Anwendungsgebiete

Die Stärke des Aachener Leistungszentrums bestehe darin, dass sich die Technologien der Digitalisierung und Vernetzung für verschiedene Anwendungsgebiete eignen. Am Fraunhofer ILT etwa wurde das Konzept auf die Fertigung von Batteriemodulen zugeschnitten. Solche Module bestehen aus Hunderten oder gar Tausenden einzelner Zellen, die per Laser miteinander verschweißt und kontaktiert werden müssen. Ein aufwändiger Prozess, bei dem hohe Zuverlässigkeit gefordert ist, denn bricht im Betrieb auch nur eine einzige Schweißstelle, kann das ganze Modul versagen.

Die Aachener Expertinnen und Experten überwachen das Schweißen deshalb mit Sensoren. „Wir können damit die Qualität des Laserschweißens in Echtzeit kontrollieren oder in der Produkthistorie verfolgen“, stellt der ILT-Ingenieur Alexander Olowinsky (Foto rechts) heraus. Doch nicht nur das: Dank der kompletten Vernetzung der Anlage und eines durchgehenden Datenflusses, lasse sich die Batteriefertigung künftig sehr viel flexibler gestalten. „Heute geben die Hersteller meist den Bauraum und den Zelltyp vor. Wir können hingegen für jede Anwendung den idealen Batterietyp mit den idealen Leistungsdaten und der richtigen Größe wählen, um ihn optimal in ein Fahrzeug einzupassen“, erklärt Olowinsky.

Fraunhofer präsentiert Konzepte auf der Hannover Messe

Auf der Hannover Messe (23. bis 27. April; Halle 2, Stand C22) stellen die Forscherinnen und Forscher die verschiedenen Konzepte für die vernetzte, adaptive Produktion vor. Zu sehen sein wird unter anderem eine Fräsmaschine, anhand derer Aspekte der Digitalisierung und Vernetzung sowie Sensorik mit 5G-Datenübertragung demonstriert werden.

Industrievertreter, die eigene Technologien im Leistungszentrum vernetzen oder in Richtung der Industrie 4.0 weiter entwickeln möchten, sind herzlich eingeladen. „Wir wollen das Leistungszentrum für Industriepartner aus verschiedenen Branchen öffnen“, sagt Thomas Bergs, und betont: „Das Besondere ist ja, dass es im Hinblick auf die Anwendungen für die vernetzte, adaptive Produktion keine Grenzen gibt.“ hei


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